In Stetten am kalten Markt hat ein Kangal eine Frau totgebissen. Obwohl Fürchterliches passiert ist, ein Mensch von einem Hund aus dem Leben gerissen wurde, muss man dieses Unglück analysieren. Und man muss sofort jenen widersprechen, die weiterhin auf Rasselisten und Kampfhundeverordnungen setzen. Im Tierheim erleben wir jeden Tag, wie Hunde sein können, wenn man verantwortungsvoll mit ihnen umgeht. Eine Stellungnahme.
Was in Stetten am kalten Markt passiert ist, ist furchtbar. Ein Hund hat einen Menschen totgebissen. Die Diskussion um schärfere Verordnungen, um Listen mit Hunderassen, um Haltungsverbote wird wieder hoch kochen. Es werden sich wieder die Besserwisser zu Wort melden, die überzeugt davon sind, dass von bestimmten Hunderassen eine größere Gefahr ausgeht als von anderen. Sie werden sich auf den Kangal einschießen und auf Hamburg und Hessen verweisen. Dort war der Kangal bereits vor dem Unglück von Stetten als vermutlich gefährlich (Hamburg) oder als gefährlich (Hessen) eingestuft.
Kampfhundeverordnung schützt nicht
Tatsächlich zeigt das Unglück von Stetten etwas ganz anderes: Eine „Kampfhundeverordnung“ schützt weder den Menschen vor dem Hund noch den Hund vor dem Mensch. Die Frau musste ihr Leben lassen, weil es Hundehalter gibt, die nicht in der Lage sind, einen Hund hundegerecht zu halten, und die man in Ihrem Tun einfach gewähren lässt. Ein Hund kann gefährlich werden, da machen auch wir als Tierschützer uns nichts vor. Wenn ein großer Hund einen Menschen angreift, ist die Gefahr größer als wenn ein kleiner Hund das Beißen anfängt. Und dass es zwischen Rassen Wesensunterschiede gibt, dessen sind wir uns bewusst. Wir wissen aber auch: Wer meint, aus den Unterschieden zwischen Pointer, Dobermann, Kangal und Staffordshireterrier pauschal ein rassespezifisches Aggressionspotenzial ableiten zu können, der irrt sich grundlegend.
Haltung und Handlung beeinflussen das Hundeverhalten
Hinter der potenziellen Gefährlichkeit eines Hundes liegt im Regelfall ein Muster, das Haltung und Aufzucht eines Hundes widerspiegelt. Maßgeblich sind wesensbildende Prozesse, die in den ersten Monaten eines Hundelebens automatisch ablaufen. Dazu gehört insbesondere die Sozialisierungsphase, in der jeder Hund lernt, seine Umwelt einzuschätzen und sich angemessen mit ihr auseinanderzusetzen. Obwohl diese frühe Lebensphase für die Wesensentwicklung enorm wichtig ist, muss mit einem Hund auch später immer wieder gearbeitet werden. Züchter, Händler und Hundebesitzer, die grundlegende, schwere Fehler machen, haben entscheidend dazu beigetragen, wenn ein Hund später verhaltensauffällig wird – oder schlimmstenfalls sogar einen Menschen tötet.
Hundeführerschein und Sachkundenachweis
Genau hier müssen Gesetze und Verordnungen ansetzen. Wir plädieren für den Hundeführerschein, weil er Hund und Halter gleichermaßen fordert und fördert. Wir plädieren für eine strenge Kontrolle der Züchter und der Händler. Wer seine Sachkunde nicht nachweisen kann, wer nicht belegen kann, dass er Welpen verantwortungsbewusst und tiergerecht aufzieht, dem müssen Zucht und Handel strikt untersagt werden.
Der Kangal in Stetten wurde bei seiner jetzigen Halterin an der Kette gehalten. Sollte es sich nicht um eine Laufkette gehandelt haben, wäre hier bereits gegen das Gesetz verstoßen worden. Es war bekannt, dass der Hund schon einmal ausgerissen war. Die Polizei war informiert. Wurde die Hundehaltung überprüft? Wir sind der Überzeugung, dass ein Hund überhaupt nicht an die Kette gehört. Wenn wir einen Kangal vermitteln, prüfen wir sehr genau, ob das Grundstück sicher eingezäunt ist und der künftige Halter über die Voraussetzungen verfügt, einen großen Hund zu halten.
Wer mit Hunden sinnvoll arbeitet, braucht keine Rasselisten
Im Tierheim lebt eine 18 Monate alte, zirka 60 Kilogramm schwere Kangalhündin in einer Hundegruppe. Sie ist friedlich, neugierig, aufgeschlossen – weil viel Zeit und Arbeit investiert wurde, damit sich das Wesen dieses Hundes so entwickelt, wie es sich heute präsentiert. Darauf kommt es an. Nicht auf Rasselisten.