Das große Sterben der Insekten und Vögel


Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Zahl der Insekten in Deutschland hat zwischen 1989 und 2016 um durchschnittlich rund 77 Prozent abgenommen. Doch damit ist noch nicht genug berichtet über das dokumentierte Sterben: Auch der Bestand der heimischen Vögel geht erheblich zurück. Zwischen 1998 und 2009 hat sich die Zahl der Brutpaare in Deutschland um 12,7 Millionen verringert. Vögel und Insekten brauchen unsere Hilfe.

Die wissenschaftliche Studie unter Leitung des Ökologen Caspar A. Hallmann von der Radboud Universität in Nijmegen hat es in sich: In Deutschland sterben die Insekten massenhaft. Maßgeblich beteiligt an der Studie waren die Experten des Entomologischen Vereins Krefeld, die dieses Jahr mit ihren Zahlen einen längst überfälligen Wirbel ausgelöst haben. Wenn über einen Zeitraum von 27 Jahren die Insektenpopulation um rund 77 Prozent zurück geht, kann man nicht mehr von Momentaufnahmen sprechen. Hier hat sich ein Trend manifestiert. So mancher versucht schon wieder abzuwiegeln. Die Krefelder Entomologen wurden als Hobbyforscher tituliert, obwohl gestandene Wissenschaftler im Team sind. Bemängelt wurde ferner, dass sich die Zahlen zunächst nur auf zwei Standorte bezogen haben. Auch wurden der Untersuchungen methodische Mängel unterstellt – eine Behauptung die andere Wissenschaftler inzwischen entkräftet haben.


Solide Untersuchung

Seit der Publikation der Arbeitsgruppe um Caspar A. Hallmann sind die Kritikpunkte hinfällig. An 63 Standorten in Deutschland wurden Daten erhoben, die Methodik entspricht wissenschaftlichen Standards, die Auswertung der Daten ist mit gängiger Statistik unterlegt, neben der Erfassung der Insekten wurden auch viele weitere Einflussgrößen berücksichtigt. Die ausgewählten Standorte sind auf vergleichbarer Höhe und repräsentieren drei unterschiedliche Lebensräume: 1. nähstoffarme Heidelandschaft, sandige Wiesen und Dünen; 2. nährstoffreiche Wiesen- und Brachflächen; 3. Strauchgemeinschaften. Damit stehen die Standorte für viele Regionen in Deutschland, in denen Insekten üblicherweise leben. Bemerkenswert ist des Weiteren: Bei allen Standorten der Studie handelt es sich um Standorte mit einer Schutzfunktion, nämlich um Wasserschutz-, Landschaftsschutz- und Naturschutzgebiete, Naturparks oder ähnliche Gebiete mit besonderem Status. Wenn bereits in diesen Gebieten Insekten nicht mehr überleben, was bedeutet das für Lebensräume, die keinen Schutzstatus genießen? Zu den Ursachen des Insektensterbens sagen die Wissenschaftler nichts, was eindeutig wäre. Das geben ihre Daten nach eigenem Bekunden nicht her. Wissenschaftlich betrachtet ist diese Zurückhaltung korrekt und seriös, es entspricht dem, was man erwarten würde. Keine Spekulation, sondern Fakten und deren solide Interpretation.

Vögel in Deutschland – dramatische Entwicklung

Ein Feldsperling sitzt auf einem Ast
Bei vielen heimischen Vogelarten nehmen die Populationszahlen ab: Auch beim Feldsperling

Ähnlich dramatisch ist die Situation bei den Vögeln. Sie sind Nutznießer der Insekten, denn viele Vogelarten brauchen als Nahrung und zum Aufziehen der Brut zwingend Insekten. Zwischen dem Rückgang der Bestandszahlen bei Vögeln und Insekten könnte man einen Zusammenhang herstellen, wenngleich es viele Faktoren gibt, die Vögel massiv gefährden. Dazu zählen Straßenverkehr, Bahnverkehr und auch große Fensterflächen. Windräder? Ja, auch, aber die vorgenannten Faktoren haben ein weitaus größeren Einfluss. Bemerkenswert ist die zeitliche Kopplung der Entwicklung. Somit ist nicht von der Hand zu weisen, dass das fortschreitende Massenableben der Insekten auch die Vogelbestände gefährdet. Aber auch die Tatsache, dass es in den Lebensräumen dieser Tiere Überschneidungen gibt, spielt eine Rolle. Was den einen verdrängt, wird für den anderen nicht gerade förderlich sein.

Nationaler Vogelschutzbericht – ein detailliertes Zahlenwerk

Der Nationale Vogelschutzbericht des Bundesamtes für Naturschutz enthält viele detaillierte Zahlen, bis hinunter auf die Ebene einzelner Arten. An dieser Stelle soll das Gesamtbild genügen. 248 einheimische Arten brüten regelmäßig in Deutschland. 80 Prozent der Vogelpopulation entfallen auf 23 Arten. Am häufigsten sind Amsel, Kohlmeise und Buchfink. In den zwölf Erfassungsjahren 1998 bis 2012 ist der Bestand in Deutschland um12 Millionen Brutpaare gesunken. Anders gesagt: Vom Bestand des Jahres 1998 waren bis 2012 etwa 15 Prozent verschwunden. Das ungute Gefühl, das diese Zahl auslöst, verstärkt sich, wenn man diesen Erfassungszeitraum mit der Langzeitbeobachtung über 25 Jahre und der Anzahl der betroffenen Arten in Beziehung bringt. Im 25-Jahreszeitraum wurden bei 19 Prozent der erfassten Arten einschneidende Rückgänge der Bestände bemerkt. Im vorgenannten 12-Jahreszeitraum waren 26 Prozent betroffen. Da nimmt eine schlimme Entwicklung offenbar Fahrt auf.

Landwirtschaft als Gefährdungsfaktor

Die Ursachenlage ist komplex, daher sind Erklärungen schwierig. Der Nationale Vogelschutzbericht trifft zur Rolle der Landwirtschaft jedoch eine Aussage. Um die Artenvielfalt als qualitativen Indikator zu erfassen, wird anhand bestimmter Arten ein Index errechnet und mit einem Zielwert von 100 Prozent in Verhältnis gesetzt. Für den Lebensraum Agrarland beträgt der Index 56 Prozent. Er hat damit, Zitat aus dem Nationalen Vogelschutzbericht, „einen höchst alarmierenden Tiefpunkt erreicht“. Die Landwirtschaft hat also einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass Vögel ums Überleben kämpfen müssen.

Ein Goldhähnchen sitzt am Boden
Goldhähnchen im Tierheimgarten

In den vergangenen 30 Jahren wurden Lebensräume werden mehr und mehr zerstört, die landwirtschaftliche Praxis setzt mehr und mehr auf Ertragssteigerungen. Beipflanzungen, die mehr Ökologie und Vielfalt in die Landwirtschaft bringen könnten, findet man viel zu selten, zu viel Dauergrünland wird in Ackerflächen umgewidmet. Die Flächen werden in der konventionellen Landwirtschaft bis zum letzten Quadratmeter ausgereizt, wachsen darf nur, was Umsatz bringt. Wildkräuter, bodendeckende Pflanzen, Wildblumen werden systematisch durch Gift fern gehalten. Für die Umwelt ist das eine Katastrophe, für Vögel und Insekten heißt das: Verlust von Nahrung, Verlust von Lebensraum. Der renommierte Vogelkundler Peter Berthold verweist auf Millionen Tonnen von Samen aus Kräutern, die in den 1950er Jahren auf Feldern und Äckern mitwuchsen. Sie ernährten unzählige Vögel. Die Kräuter sind verschwunden, Insekten und Vögel scheinen nun zu folgen.
Es besser zu machen, mehr Ökologie und Artenschutz zu implementieren, wird Geld kosten. Möglicherweise steigen die Preise für Obst, Gemüse, Getreide und Folgeprodukte. Ein funktionierendes, artenreiches Ökosystem jedoch ist unbezahlbar.

Eigeninitiative ist gefordert

Doch die Landwirtschaft ist nur einer von vielen Faktoren. Um die bedrohliche Entwicklung umzukehren, müssen viele Maßnahmen im Gesamtsystem getroffen werden. Große Fensterflächen an Gebäuden müssen besser erkennbar sein für Vögel, der Landwirtschaft muss mehr Ökologie verordnet werden. Das wäre ein Anfang, aber einiges mehr müsste folgen.

Ein Grünfink sitzt auf einem Aststumpf
Ein Grünfink im Tierheimgarten

Auch im Kleinen kann Vogel- und Insektenschutz betrieben werden. Jeder Gartenbesitzer oder -pächter sollte seinen Garten naturnah gestalten. Und jeder kann in seinem Garten Vögel durch Fütterung und Nistplätze unterstützen. Die Meinungen über die Fütterung von Wildvögeln gehen auseinander. Früher hieß die Faustregel: Liegt keine dicke Schneedecke, muss nicht gefüttert werden. Angesichts der aktuellen Lage gilt das nicht mehr. Viele Vögel sind hierzulande bedroht, sie finden im Frühling und Sommer nur mit Not Insekten. Heimische Vögel und Vogelarten, die im Winter aus dem Norden oder Nord-Osten Europas nach Deutschland kommen, finden nicht mehr ausreichend Futter. Das muss Anlass genug für uns sein, um zu handeln. Die Lage ist so dramatisch, dass Vögel momentan auf unsere Hilfe dringend angewiesen sind.

Futterstellen im Tierheim und im Tierheimgarten

Zwei Bergfinken sitzen auf dem Boden und picken Körner
Zwei Bergfinken beim Futtern im Tierheimgarten

Seitdem im Tierheim und im Tierheimgarten permanent Vögel gefüttert werden, sind bei uns mehr Vögel zu entdecken. An die Futterstellen kommen Kohl-, Blau-, Tannen-, Sumpf- und Haubenmeisen. Zu sehen sind mehrere Spechtarten, des Weiteren Buchfinken, Rotkehlchen , Haus-und Feldsperlinge, Kleiber, Kernbeißer und einige mehr. Seit im Tierheim an mehreren Stellen Futtersilos hängen, sind endlich wieder Haussperlinge da. An den Futterstellen haben sich hungrige Tannenmeisen, Kernbeißer , Goldammern und auch schon ein paar Bergfinken und Schwanzmeisen blicken lassen. Diese Vögel sind Durchzügler, die hier kurz Rast machen.

Vogelfutter – kaufen oder selber machen

Gutes Vogelfutter enthält viele Samen, aber keine Weizenkörner, denn die sind den meisten Vogelarten zu hart. Es sollte reichlich Sonnenblumenkerne, Erdnüsse, getrocknete Beeren und ein Fettfutter aus Kokosfett oder Rindertalg und etwas Speiseöl enthalten. Gut geeignet sind selbstverständlich die klassischen Meisenknödel. Diese sollte man am besten ohne die üblichen Plastiknetze in Spendern anbieten.

Ein Kernbeisser sitzt in einem Gebüsch auf einem Ast
Scheuer Geselle im Tierheimgarten: der Kernbeisser

Vögel nur zu füttern, aber nicht auf einen vogelfreundlichen Garten zu achten, ist zu kurz gesprungen. Vogelfreundlich bedeutet, dass Gras nicht ständig und akribisch gemäht wird, dass es Hecken und Beerensträucher gibt, dass Pflanzen blühen dürfen, dass es Disteln gibt und Nistmöglichkeiten. Nistkästen werden angenommen von Sperlingen, Meisen, den selten gewordenen Trauerschnäppern und Gartenrotschwänzchen, aber auch vom Hausrotschwanz.
Den Vögeln wäre es sicher lieber, sie könnten auf unsere Hilfe verzichten. Nachdem wir ihnen ihren Lebensraum und ihre Futterquellen zunehmend entziehen, müssen wir ihnen helfen. Zumindest für einige Zeit.

 

 

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